Nach dem Feiertag ist unser Ziel Digoin. Bis hierhin sind es nur 12 km. Wir wollen immer noch Charolais-Rind essen und hoffen auf ein nettes Restaurant in Digoin, so, wie der Kanalführer es verspricht. Vor Digoin passieren steuerbords die Hebebrücke zum ehemaligen Speisekanal „Rigole de l´Arroux“. Auf diesem kleinen Kanal wurde früher Eisenerz transportiert. Anders als im Kanalführer beschrieben, fanden wir die Hebebrücke eher unspektakulär. In Digoin werden zwei Liegestellen ausgewiesen. Man aber nur am südlichen Kanalufer festmachen, denn am nördlichen Kanalufer sind ausschließlich Liegeplätze eines Bootsverleihs. Leider wird das im Kanalführer nie angegeben. Die Stadt hat drei Highlights, ein Keramik-Museum, die Kanalbrücke über die Loire und das Loire-Observatorium. Beide Museen hatten zu. Langsam nervt uns das. Es sind immer andere Gründe, warum die Museen, die wir besichtigen wollen, geschlossen sind. Die Kanalbrücke, über die wir später fahren werden, ist sehr imposant. Sie ist 243 m lang und wurde von einem jungen Ingenieur aus Nevers konstruiert. Die Brücke wurde 1838 nach 2jähriger Bauzeit, allerdings mehrjähriger Planungszeit, fertiggestellt. Die Planungszeit resultierte aus der Herausforderung, dass man die Loire am Kanalende weiterhin mit Hilfe eines Schleppers überqueren konnte. Da die Loire hier 6oom breit war, hätten enge Bögen einer Steinbrücke bei Hochwasser wie ein Staudamm gewirkt. So wurde zum ersten Mal in Frankreich kohlenstoffarmer Stahl verwendet. Gern spricht man Eiffel die Konstruktion zu, der war jedoch lediglich für das Mauerwerk verantwortlich. Ansonsten haben wir in Digoin keines der angeblich hervorragenden Restaurants gefunden. Ein geschlossenes Keramikgeschäft haben wir gesehen. Insgesamt wirkte Digoin auf uns verlassen und wenig einladend.










All das veranlasste uns, trotz Strom und Wasseranschluss nach der Mittagspause weiterzufahren bis Coulanges. In dem Dorf soll es einige Geschäfte, ein Restaurant und eine Tankstelle geben. Wir lagen sehr idyllisch alleine am Kanalufer und konnten, vom Boot aus, die Kirchturmuhr sehen. Als wir gegen 14:30 Uhr nach wenigen Schritten den offensichtlich einzigen Laden mit regionalen Produkten entdeckten, war dieser bereits geschlossen und öffnete erst wieder am Donnerstag. Die Eigentümerin hatte uns beobachtet und öffnete noch mal für uns. Sie war ohne Schuhe, offenbar auf dem Weg sich auszuruhen. Ihren Partner kommandierte sie freundlich, uns abzukassieren. Im Gespräch ergab sich, dass wir vergeblich nach einem Restaurant gesucht hatten, welches Charolais-Rind anbot. Da meinte sie, dass sie heute genau dieses Gericht gekocht hatte. In dem kleinen Ladengeschäft gab es auch einen langen Gästetisch für ca. 12 Personen. So kann es gehen. Die nächste Überraschung bot uns dieses wirklich kleine Dorf mit dem Liegeplatzservice. An der Strom- und Wassersäule konnte man Strom gegen Entgelt ziehen. Für 2 Euro hatte man 4 Stunden Strom. Das war aber noch nicht der Clou, sondern dass man mit Karte und Apple-Pay ganz einfach bezahlen konnte. Als geprägte E-Autofahrer mit den Erfahrungen des Stromsäulendebakels in Deutschland war das ein echtes „Aha, geht doch“ Erlebnis. Wir haben die herrliche Ruhe dieses schönen kleinen Liegeplatzes in schöner Umgebung genossen.



Am Mittwoch, den 3. Mai fahren wir weiter. Seit Digoin sind wir auf dem Canal latéral à la Loire. Die Loire wird ab Digoin sehr breit und ist hinsichtlich der Wasserstände ab hier unberechenbar. Versandung Hochwasser und andere Umstände führten letztendlich dazu, den Beförderungs- und Chartergesellschaften eine stabile Strecke zur Verfügung zu stellen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts, als das französische Wasserstraßennetzt auf Freycinet-Maße umgestellt wurde, verlor die Loire ihren Platz im Binnenschiffahrtsnetz. Der Canal latéral à la Loire hielt die Ost-West Verbindung aufrecht. Die Schleusen im Kanal werden weitestgehend vom Schleusenpersonal bedient, sind also keine Automatikschleusen. Eine neue Erfahrung für uns. Da ich in Besancon auch schon mal eine Schleuse selbst kurbeln musste, konnte ich die Abläufe gut erinnern. Nach 25 km erreichten wir Garnat-sur-Engièvre. Auch hier gab es wieder einen prima kommunalen Liegeplatz. Allerdings ohne Strom und Wasser. Wir machten mit dem Bug zum westlichen Ufer an einem Ponton fest. Sein zwei Tagen hatten wir etwas Öl in der Bilge. Es war nur so viel, dass wir es mit einem Lappen aufsaugen konnten. Dennoch beschäftigte uns das. So ganz genau konnten wir die Herkunft nicht lokalisieren. Es deutete aber gen Turbo. Wir telefonierten mit der Volvo-Service-Zentrale in Belgien. Der dortige Mitarbeiter hatte uns im vergangenen Jahr bereits für Avignon eine Motordurchsicht organisiert. Er meinte, dass er auch kein Experte sei, aber er könne sich vorstellen, dass durch unsere sehr langsame Kanalfahrt aus dem Turbo Öl drücken könnte. In der Tat sind wir sehr langsam gefahren. Teilweise wurde uns ein Wasserstand unter 1 Meter angezeigt. Manchmal zeigten uns die Fahrgeräusche an, dass wir den Untergrund leicht berührten. Frank war also auf der Hut, langsam in Kanalmitte zu fahren. Garnat-sur-Engièvre waren wir angefahren, weil man von hier einen Ausflug in den Kurort Bourbon-Lancy machen konnte. Am Nachmittag haben wir zunächst das Dorf erkundet. Wir mussten dringend Wasser haben und auch ansonsten unsere Vorräte aufbessern. Das Dorf war sehr hübsch, aber bis zum Dorfausgang konnten wir keinerlei Einkaufsmöglichkeiten entdecken. Als wir schon aufgeben wollten, sah ich gegenüber einer Tankstelle ein Supermarktschild. Der Proximarkt war ein echter Gewinn. Hier gab es von Lebensmitteln über Baumarktartikeln – wohlorganisiert – alles. Wir hauten uns die Taschen voll. Das Beste war, dass wir Steaks vom Charolais-Rind bekamen. Die landeten gleich am Abend in der Pfanne. Uns sie hielten, was sie versprechen. Am Donnerstag fahren wir dann die 10 km in den Kurort Bourbon-Lancy. Leider müssen wir alles eine recht befahrene Landstraße fahren. Nach unserer Ankunft kehren wir kurz in der Tourismusinformation ein, die unmittelbar am mittelalterlichen Stadtkern liegt. Wir schieben die Räder durch die Altstadt. Später machen wir Halt an einem Fahrradstützpunkt. Hier bastelt ein ehemaliger Rennfahrer mit zwei Mitarbeitern an Rennrädern. Darüber hinaus arbeiten sie alte Fahrräder auf und verkaufen diese zu Schnäppchenpreisen. Wir nutzen die Gelegenheit, und lassen unsere Schaltungen nochmals einstellen. Für diesen kompetenten Service, will der Chef kein Entgelt, so dass wir nur die Kaffeekasse füllen. Durch einen Park fahren wir zum Thermalviertel. Die mondänen Hotels und Anlagen sind in die Jahre gekommen, ähnlich wie in traditionellen Kurorten in Deutschland. Wir können aber vollen Betrieb erkennen. Es ist Mittagszeit und wir folgen dem Rat einer Vorbeigehenden, unser Mittagessen in einem kleinen Restaurant gegenüber dem Kurhaus zu nehmen. Das war eine gute Idee. Bei schönstem Sonnenschein bekommt Frank ein leckeres Tagesgericht mit Dessert, Hühnchen und Eis und ich esse Froschschenkel in Petersilien-Knoblauchbutter satt. Dazu nehme ich einen Rosé, so lässt es sich leben. Auf der Rücktour müssen wir uns beeilen, denn wir sind zu 15 Uhr zum Schleusen verabredet. Allerdings habe ich das Gefühl, dass ich mehr strampeln muss, als Frank. Er fährt ganz relaxed und ich strample hinterher. Offensichtlich habe ich noch immer nicht die optimale Übersetzung gefunden. Mein Akku ist auch viel schneller leer als Franks. Wir werden das beobachten.




















Wieder an Bord, geht es auch gleich los. Wir sind noch in unserem Ablegemanöver vertieft, da rauscht aus der Kurve ein Mietboot heran. Da wir bislang kaum Schiffsverkehr hatten, haben wir den Kanal gar nicht so aufmerksam beobachtet. Nach einem Schlenker geht es dann ab Richtung Schleuse. Wir fahren nur 12 km und legen wieder an einem kommunalen Anleger in les Vanneaux bei Gannay-sur-Loire an. Der Platz ist auch wieder gut gepflegt. Es gibt Strom und Wasser umsonst und dieses Mal sogar ein WC und eine Dusche. Einfach aber ok. Später legt noch eine Peniche an. Es sind Niederländer, die ein Haus in der Nähe haben und ihre Autos auch noch nachholen. Zu ersten Mal erfahren wir, dass so eine Peniche ausfahrbare Stützen zur Verankerung im Boden haben kann. Die 12 km sind wir zügiger als sonst gefahren. Die These von Volvo scheint sich zu bestätigen, wir haben kein weiteres Öl in der Bilge.
Am Freitag fahren wir weiter nach Decize. Hier wollen wir uns entscheiden, ob wir über den Canal du Nivernais und die Yonne oder den Canal latéral à la Loire weiter Richtung Paris fahren. Während der Fahrt haben wir immer wieder Probleme mit der Abgas- und Motortemperatur. Wir fahren offensichtlich durch viel Algenkraut. Der Motor dreht nicht optimal. Wir machen auf dem Kanal den Motor aus. Die Motortemperatur kühlt relativ schnell von 95-90 Grad auf normale 85 Grad ab. Durch kurzes Rückwärtsfahren versuchen wir uns vom Kraut an der Welle zu befreien. So wird die Fahrt etwas mühselig. Um in den Hafen zu kommen, muss man durch eine Schleuse. Man muss intuitiv erkennen, dass man diese Schleuse selbst über ein Seil am rechten Ufer auslösen muss. Das klappt. Wir schleusen gern steuerbords, weil die „Blue Fantasia“ asymmetrisch ist. Das heißt, dass die linke Gangway nur fußbreit ist. Um die Schleusung in Gang zu setzen, muss man backbord auslösen. Wir entscheiden uns, zunächst backbord die Schleuse auszulösen und dann nach steuerbord zu „rudern“ um die Schleusenleinen anzubringen. Dummerweise sind unsere Fender backbord zu hoch angebracht. Auf die Schnelle können wir ein leichtes touchieren der Schleusenwand nicht ganz vermeiden. Das Manöver war sicherlich nicht ganz korrekt, hat uns aber das Schleusen an sich erleichtert. Der Hafen ist großzügig und gut ausgestattet. Nach der Anmeldung prüfen wir wieder unseren Frischwasserfilter für die Motorkühlung. Es hat sich kaum Dreck bzw. Pflanzenteile verfangen. Uns fällt jedoch auf, dass das Wasser nach Öffnen des Filters deutlich langsamer als sonst abfließt. Offensichtlich sitzt etwas vor der Zuleitung. Nach einem Telefonat mit unserem Bootsmonteur und Studium der Leitungswege des Kühlwassers kommt uns Philipp zu Hilfe, ein Bootsmonteur, technischer Mitarbeiter der Capitainerie. Er prüft mit uns den Impeller, der sich aber als o.k. erweist. Dann kommen wir gemeinsam zu dem Schluss, den Zugangsweg des Wassers durch Wasserdruck frei zu pusten. Philipp steckt den Wasserschlauch relativ weit in das Ansaugrohr. Das scheint funktioniert zu haben. Beruhigt machen wir mit dem Fahrrad einen Ausflug in die Stadt, die auf einer Loire-Insel liegt und auf kurzem Weg über eine nahe gelegene Brücke zu erreichen ist. Decize ist eine kleine nette Stadt, die belebt ist. Wir entern die örtliche Fleischerei und einen kleinen Casinomarkt sowie eine Bäckerei, um uns für das lange Wochenende zu wappnen.
Am Samstag starten wir ausgeruht Richtung Schleuse zurück zum Canal latéral à la Loire. Ich löse die Schleuse wieder an einer Leine aus und will mir anschließend meine Schleusenhandschuhe holen. Als ich die „Kammer des „Schreckens“, unsere Schlupfkabine mit allem was wir woanders nicht unterbringen können, öffne, schlägt mir Qualm entgegen. Ich schlage Alarm und wir fahren umgehend zurück zum Steg. Wir lüften und schauen was los ist. Der Eigner eines benachbarten Bootes, Franzose, kommt zur Hilfe. Als wir den backbordseitigen Raum unter der Plicht freigeräumt haben erkennen wir, dass Wasser aus dem Muffler (Behälter zum Auffangen des Kühlwasser- und Abgasgemisches) dringt. Es war also Abgas, was entwichen ist. Beim näheren Hinsehen erkennen wir, dass der Muffler direkt hinter der Schlauchklemme wie explodiert ist, sicherlich ein Prozess, der seit längerem abgelaufen ist.
Wir sind schockiert und wissen: das dauert länger in Ordnung zu bringen. Der Franzose erklärt uns, dass später sein deutscher Freund kommt, der könne auch noch mal schauen und wir können uns besser verständigen. In der Zwischenzeit entschließen wir uns, den Muffler schon mal zu bestellen. Zum Glück war die Identifizierung des Typs einfach und der Produzent/Händler schnell zu finden. Egal, wer uns den Schaden repariert, wir sind überzeugt, dass derjenige den Muffler nicht vorrätig haben wird. Wir rechnen mit der Lieferung zwischen dem 9. und 11. Mai. Bis dahin will Frank den Muffler schon mal selbst ausbauen, um ggf. zu erkennen, ob weitere Teile, z.B. Schellen erforderlich sind. Im Nachbarort gibt es eine Werft. Hier werden wir wohl am Dienstag mal vorbeifahren.
Nachmittags kommt Günter, der Freund des Franzosen. Beide haben mit ihren Booten bislang im Hafen von Nivers gelegen und sind für die Saison hierher umgezogen. Der Franzose hat früher viele Jahre Holzarbeiten auf der Belem gemacht. Wenn wir das richtig verstanden haben, ist er Experte in künstlerischer Holzbearbeitung und Restauration. Günter, ein Deutscher, der in Luxemburg lebt, hatte früher ein Restaurant mit mehr als 100 Plätzen und hat selbst gekocht. Jetzt ist er seit Jahren mit seinem Boot in Frankreich unterwegs. Er ist sehr hilfsbereit und erfahren, nimmt aber den Schaden als gut reparabel und eigenständig lösbar hin. Er wird gerne mit anpacken. Wir sind gespannt, wie es weitergeht. Hoffentlich können wir danach unser Boot beruhigt wieder dem Kanalwasser anvertrauen.



