7 Tage Zwangspause

Die streikbedingte Schließung der Schleuse Vaugris nutzen wir als Chance, um einige Arbeiten am Boot auszuführen und uns in der Umgebung umzuschauen. Unser erster Ausflug führt uns am Mittwoch, den 5. April von les Roches-de-Condrieu über eine alte Hängebrücke ans andere Flussufer nach Condrieu. Die Stadt hat eine lange Schifffahrtstradition. Aus unserer Flusskarte erfahren wir, dass man hier die Schiffer rekrutierte, denn es heißt, „wer in Condrieu navigieren kann, kann überall auf der Rhône navigieren und kennt alle Tücken des Flusses“. Darüber hinaus ist Condrieu bekannt für seinen Weißwein. Dieser wird aus der Rebsorte Viognier gelkeltert. Wir wollen in jedem Fall von diesem Wein kosten, setzen uns allerdings bei den Preisen auf den Hosenboden. Der gut sortierte Weinladen in Condrieu bietet Weine aus allen französischen Weinregionen an. Der Preis für eine Flasche Condrieu beginnt bei über 30 Euro. Der Ort hat insbesondere in Ufernähe und in der Nähe der beginnenden Weinhänge einige hübsche Facetten, die an die einstige Blüte erinnern. In einer ehemaligen Kirche finden wir eine Ausstellung nebst Künstler. Die Bilder gefallen uns und passen in das Ambiente der Ausstellungsräume. Zwischendurch versuchen wir für Ostersonntag abends einen Tisch im Restaurant zu reservieren. Wir erwarten unsere Freunde Karin und Gerard, die unsere Fahrräder und Lattenroste für unsere Liegen vorbeibringen und etwas Zeit mit uns verbringen wollen. Ich finde einige tolle Restaurants in oder hinter den Weinbergen, die entweder ausgebucht oder Sonntagabend geschlossen sind. Als wir schon aufgeben wollen, finde ich noch ein Restaurant in Saint Pierre de Boeuf. Frank ist skeptisch wegen der Karte. Auf unserem Rückweg holen wir noch Baguette von der Bäckerei direkt an der Brücke.

Unser Plan für die nächsten Tage ist, mit dem Zug einen Tag nach Lyon zu fahren. Wir stimmen uns mit unserem französischen „Gastkind“ Victor ab, der in Lyon wohnt und uns gerne mit seiner Frau auf dem Boot besuchen möchte. Wir verbringen am Donnerstag einen netten gemeinsamen Abend bei uns an Bord und stellen u.a. fest, dass Victor vor nunmehr bereits 18 Jahren bei uns in Berlin das Abitur am französischen Gymnasium gemeistert hat. Nach Lyon fahren wir am Freitag mit dem Zug von St.-Clair les Roches, 540 Meter vom Hafen zu Fuß entfernt. Die Züge fahren fast jede Stunde und halten vor Lyon nur noch in Vienne. Man fährt nicht länger als knapp über 30 Minuten. In Frankreich ist der Karfreitag kein Feiertag. Wir bummeln heute vom Place Bellecour aus, wo sich die Tourismusinformation befindet, durch die Straßen und Gassen zwischen Rhône und Saône. Auf der Rhône sehen wir die wartenden Flusskreuzfahrschiffe in Zweierreihen. In den Nebenstraßen entdecken wir viele Gourmetrestaurants. Unser Mittagessen nehmen an einem sonnigen Plätzchen vor einem Bistro am Place Antoine Vallon. Für unglaubliche 13 Euro gibt es hier eine echt tolle „plat du jour“, lecker Tranchen Schweinefilet mit Kartoffelmus, Champignons und Sauce. Die Sonne ist gratis und das Lebensgefühl auch. Nachdem wir noch mal kurz am Justizpalast vorbei durch die Straßen des Alten Lyon gezogen sind, wechseln wir wieder über die Saône, Richtung Rhône. Eher zufällig entdecken wir den Komplex des Grand Hôtel-Dieu. Er entstand im 17. Jahrhundert nach den Plänen des Architekten Jacques-Germain Soufflot. Im August 1914 wurde es durch die französische Armee als Hospital genutzt. Im 2. Weltkrieg wurde die Kuppel zerstört. 2007 bis 2010 beherbergte es moderne medizinische Leistungen. Im November 2011 wurde das Grand Hôtel-Dieu als Baudenkmal klassifiziert. Seit 2015 wurde der Komplex Schritt für Schritt revitalisiert. Heute befinden sich dort das Hotel Intercontinental Lyon – Hotel Dieu, Pop-Up-Stores, kleine Spezialitätenläden, internationale Gastronomie, Fashion-Stores und Museen, unter anderem das Museum der Illusionen. Lyon ist eine wirklich sehenswerte Stadt.

Samstag werkeln wir am Boot. Frank rückt mit Elsterglanz der Badeleiter und der Reling zu Leibe und ich putze Fenster. Vormittags machen wir noch einen Marsch zum Einkaufen. Da wir keine Flaschen tragen müssen und es nicht so warm ist, erscheinen die je 20 Minuten Hin- und Rückweg gar nicht so anstrengend.

Am Ostersonntag kommen am späten Vormittag unsere Freunde aus Chambery mit dem Wohnmobil. Im Hafen sind inzwischen viele Gäste angekommen. Manche machen eine Spritztour auf die Rhône. Wir zelebrieren den Ostersonntag mit einem Brunch überwiegend mit Spezialitäten die Karin und Gerard mitgebracht haben. Unter anderem gibt es ganz viel frischen Ziegenkäse, selbstgemachte „pâté“, kalte Hähnchenteile vom Biohähnchen und wie immer Baguette. Wir bekommen von Karin selbstbemalte Ostereier und revanchieren uns mit Schokoosterhasen. Es gibt viel zu erzählen. Nachmittags nehmen wir dann unsere Fahrräder entgegen und machen eine Probefahrt. Wir sind zufrieden und auch Karin und Gerard bestätigen, dass die Räder sich gut fahren. Auch die Lattenroste werden zusammengebaut und eingelegt. Abends geht’s dann zu unserer Restaurantreservierung. Nach 20 Minuten Fahrt sind wir in St.-Pierre- de Boeuf angekommen. Der Ort liegt Wunderschön abseits vom Schiffsverkehr, der hier neben der Rhône über eine kanalisierte Strecke verläuft. Wir sehen spezielle Kajaks, deren Funktion wir uns nicht erklären können. Die Ile du Hasard ist über einen schmalen Zugang zu erreichen und parkähnlich gestaltet. Unser Restaurant „Du Port“, liegt direkt am Ufer. Wir werden sehr herzlich empfangen. Das Ambiente ist ein wenig maritim und einfach. Von unserem Menü sind wir total begeistert. In so ungezwungener Atmosphäre so lecker speisen zu können, hat uns den Ostersonntag toll ausklingen lassen.

Am Ostermontag ist auch in Frankreich Feiertag. Wir frühstücken mit Karin und Gerard gemütlich.  Später fahren gemeinsam mit dem Zug in nur 7 Minuten nach Vienne. Für unsere Gruppenkarte (4 Personen, alles Senioren) werden gerade mal 8 Euro inklusive Gebühren von meinem Buchungsanbieter, Trainline, aufgerufen. Die Stadt Vienne entstand bereits in der Hochantike. Hiervon zeugen diverse Baudenkmale. Der imposante Tempel des Augustus und der Livia stammt aus dem 1. Jahrhundert v. Christi. Der Tempel des Forums ist Symbol der Anerkennung der kaiserlichen Macht. Nur die Priester hatten Zugang zum Tempel, die Bevölkerung verfolgte die Feier vom Pflaster des Forums aus. Zusammen mit dem „Maison Carrée“ in Nîmes ist er der einzige noch erhaltene Tempel in Frankreich.  Das römische Theater aus dem 1. Jahrhundert ist eines der größten Theater aus der Zeit, in der Gallien von den Römern besetzt war.  Es liegt am Fuße des Mont Pipet, dessen Gipfel einst als Esplanade und als heiliger Ort diente. Das Theater bot rund 11.000 Zuschauern Platz. Seit 1981 findet in der ersten Julihälfte auf dem Gelände des römischen Theaters eines der bekanntesten Jazzfestivals mit ca. 100.000 Fans statt. Aus dem 12. Und 16. Jahrhundert stammt die Kathedrale Saint-Maurice. Die Westfassade dieser Kirche im Flamboyant-Stil verfügt über drei behauene Pforten, die die biblische Geschichte darstellen. Im Innenraum beeindrucken das dreiteilige Kirchenschiff, die romanischen Kapitelle und die Teppicharbeiten auf Flandern, die rund um den Chor aufgehängt wurden und die das Leben und das Martyrium des heiligen Mauritius schildern.

Nach Besichtigung dieser historischen Stätten schlendern wir noch kurz über die Rhône nach St. Colombe und später in Vienne über einen Festplatz mit Fahrgeschäften und Kraftautomaten, an denen sich die jungen Burschen abarbeiten. Als wir wieder am Hafen sind, begegnen wir dem Hafenmeister, der uns eröffnet, dass die Schleuse Vaugris wieder geöffnet ist. Wir werden also morgen die Rhône weiter aufwärts in Richtung Lyon fahren. Ab Lyon geht es dann weiter stromaufwärts auf der Saône.


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